03.03.2021 | Magdeburg

Wasserstoff ist die Zukunft. Aber auch für Holzgas? Die Branche setzt sich gerade mit dieser Perspektive auseinander. Herr Dr. Torsten Birth, Leiter der AG Biomassevergasung, beantwortet in diesem Interview Fragen zu den technischen Voraussetzungen der Wasserstoffgewinnung aus Holzgas.

 

Holzgas-KWK-Anlagen – das ist die Produktion von Strom durch die Verbrennung von Holzgas in Motoren. Welche Perspektiven hat die Verwendung von Wasserstoff, die in diesem Holzgas enthalten ist?

Generell bietet Holzgas als Schwachgas eine Vielzahl von Nutzungsperspektiven. In der Tat kommt aktuell der einfachste Weg zum Einsatz: die Verbrennung in einem Motor. Die technischen Grundlagen bestehen in verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten aus Filtern, Wäschern und andere Einrichtungen, um den entstehenden Staub und Teer für den Motor händelbar zu gestalten. Will ich nun den im Holzgas enthaltenen Wasserstoff nutzen, muss ich die Reinigung weiter verbessern.


Was müsste man tun, um diese Reinheitsproblematik zu lösen?

Hier gibt es zwei grundlegende Herangehensweisen: Das generelle Umdenken sowie die strukturierte Verbesserung. 


Fangen wir mit der strukturierten Verbesserung an.

Hier geht es ganz klar darum, die aktuellen Reinheiten sukzessiv zu steigern. Die Anlagenhersteller müssen der Staubbelastung wie auch der Teerproblematik Herr werden.


Und das generelle Umdenken?

Gewinne ich den Teer zurück und vergase ihn zusammen mit dem Brennstoff, steigere ich damit die Anlageneffektivität. Reformiere ich das Produktgas, steigere ich den Anteil des Wasserstoffs im Gas. 

Die Herausforderung ist es die Vielfältigkeit des Gasgemisches zu bewältigen. Denn neben Wasserstoff befinden sich weitere Gaskomponenten wie Methan, Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid und Stickstoff im Produktgas, zusätzlich zu unseren altbekannten Herausforderern aus dem Bereich Teer.

Die Abhängigkeiten und Beeinflussungsmöglichkeiten alleine dieser Gemische sind enorm hoch. In meiner Dissertation untersuchte ich, wie Anlagenhersteller den Anteil an heizwertreichen Gasen aus der Biomassevergasung steigern und die Zusammensetzung beeinflussen können. Ich sehe hier einen Start und eine von vielen betrachteten Herausforderungen, die die Branche auf dem Weg zum Wasserstoff zu bewältigen hat.


Sehen Sie Chancen, den aus Holzgas gewonnenen Wasserstoff auch in Brennstoffzellen zu nutzen?

Es gab hierzu bereits vor einigen Jahren ein interessantes Forschungsprojekt: Das Fraunhofer IFF Magdeburg hat gemeinsam mit dem MPI in Magdeburg sowie dem Fraunhofer IKTS mittels der Biomassevergasung versucht, eine Hochtemperaturbrennstoffzelle zu beschicken. Weitere Fraunhofer-Institute wie auch die Friedrich-Alexander-Universität arbeiten daran, diese Herausforderungen zu lösen. Jetzt, wo in Deutschland endlich eine Wasserstoffwirtschaft etabliert wird, bin ich zuversichtlich, dass Wissenschaft und Industrie der Weg geebnet wird, um genau dies umzusetzen. 


Ich vermute, dass wir auch hier auf die Reinheitsproblematik stoßen?

Die Reinheitsanforderungen für Brennstoffzellen in Kraftfahrzeugen ist mit 3.0 - 5.0 (je nach Quelle) enorm hoch. Ich sehe die Perspektiven für Wasserstoff, der aus Holzgas produziert wurde, eher hier: bei der Beimischung in biogenen Gasen für die Chemieindustrie, die Einspeisung in KWK-Anlagen oder die Nutzung in Methanisierungsanlagen.


Welche Forschungsprojekte gibt es aktuell, die die Verbindung aus Holzgas und Wasserstoff behandeln?

Offen gesprochen: zu wenige. Will die Branche wirklich den Weg der Wasserstoffwirtschaft einschlagen, muss sie an einem Strang ziehen. Sie muss durch systemisches Denken selbstintegrierte oder gesamtheitlich integrierte Produktionsanlagen erforschen, entwickeln und umsetzen. Verschiedene Forschungsinstitute und Unternehmen beweisen schon heute, dass sie dazu in der Lage sind.


An wen denken Sie konkret?

Zum Beispiel an 2G, die mit ihren BHKWs, die auf Wasserstoffmotoren basieren, am Markt deutlich Anklang finden. Die FEE hatte hierzu das Projekt der Stadtwerke Haßfurt in zwei Workshops der Fachöffentlichkeit präsentiert. 2G ist auch in Biogasanlagen und Holzgas-Anlagen zu finden. Hier auch zwei Beispiele mit Mitgliedern der FEE: Dr. Andy Gradel von der Hochschule Hof gründet aktuell aus und bietet Biogasreformierungssysteme an. Und das Fraunhofer IFF arbeitet in einem Konsortium an der Dunkelfermentation, um grundlastfähig an einer Biogasanlage Wasserstoff bereit zu stellen.

Systemische Integration und Anpassung führt hier dazu, dass Gärreste vergast, biogene Gase reformiert und wasserstoffreiche Gase verwertet werden. 


Ihr Fazit zu diesem Thema?

Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis alle Puzzle-Stücke zur Verfügung stehen, um auch die Aufgabe der Holzgas-Systeme in der neuen Wasserstoffwirtschaft zu erleben, aber vor allem gemeinsam zu gestalten. 


Herr Dr. Birth, vielen Dank für das Gespräch.