01.03.2022 | Berlin

Auch die EU setzt im Kampf gegen den Klimawandel auf das Instrument der Kohlenstoffsenke. Kann Vergaserkoks einen Beitrag dazu leisten? Eine wichtige Frage für Betreiber von Holzgas-Anlagen. Das Forschungsprojekt VergaFlex untersucht, welche stofflichen Verwertungspfade für Vergaserkoks in Frage kämen. So zum Beispiel als Bodenverbesserer, sofern der Vergaserkoks nicht mit organischen Schadstoffen belastet ist. Am Anfang steht die chemische Analyse der Vergasungsreststoffe. Aufgrund der komplexen Zusammensetzung eine anspruchsvolle Aufgabe. Lesen Sie in diesem Interview mit Axel Ulbricht, Geschäftsführer der Eurofins Umwelt Ost GmbH, was eine gute Analyse ausmacht.


Die stoffliche Nutzung von Vergaserkoks steht und fällt mit dem Gehalt von Polyaromatischen Kohlenwasserstoffen – PAK. Häufig hört man, dass die Höhe des PAK-Gehalts in Vergaserkoksen je nach Analyselabor sehr unterschiedlich bestimmt wird. Woran liegt das?

Für die Bestimmung von PAK stehen verschiedenste analytische Verfahren und Normungen zur Verfügung. Diese Verfahren sind matrixspezifisch entwickelt worden z.B. für Abfall-, für Boden- oder für Wasserproben. Für die Matrix Vergaserkohle gibt es keine spezifische Norm. Das führt dazu, dass Labore unterschiedliche Verfahren oder Normen zur Anwendung bringen. Diese sind mehr oder weniger gut für die Analytik von PAK an Vergaserkohle geeignet sind und erzeugen deshalb unterschiedliche Ergebnisse.

Was tun? 

Im EBC hat man zum Beispiel einheitliche Verfahren für die Qualitätsstandards von Pflanzenkohle im Zusammenhang mit Grenzwerten festgelegt. So sind Analysenergebnisse vergleichbar und belastbar und können rechtssicher bewertet werden. Diese Verfahren wurden z.T. matrixspezifisch entwickelt bzw. an die Matrix angepasst. Ziel muss also sein, ein Verfahren für die Matrix Vergaserkoks zu entwickeln, das die Gehalte an PAK über den hohen Konzentrationsbereich, den Vergaserkokse aufweisen können, zuverlässig bestimmen kann.

Was bedeutet das verfahrenstechnisch?

In klassischen einstufigen Vergasungssystemen können Zwischenprodukte aus der Pyrolyse, wie zum Beispiel Teere, nie vollständig eliminiert werden. Mit unserem gestuften System in Verbindung mit dem patentierten Schwebefestbettvergaser gelingt es uns, ein sehr sauberes Produktgas zu gewinnen. Einfach ausgedrückt: Wir verbrennen die Teere vollständig in der Zwischenstufe zwischen Pyrolyse und Vergaser; ähnlich wie bei einer klassischen Feuerung mit Hilfe der Sekundärluft.
Erst diese hohe Gasqualität erlaubt uns in Kombination mit einer entsprechenden Kohleabtrennungsvorrichtung, aus dem Vergasungssystem eine wertvolle Pflanzen- und Holzkohle zu gewinnen. Mit dieser kann fossile Kohle unbedenklich substituiert werden.

Warum spielt das Lösungsmittel so eine große Rolle?

Kohlen und Kokse haben unter anderem die Eigenschaft, organische Substanzen/PAK sehr gut binden bzw. adsorbieren zu können. Deswegen ist für die Bestimmung des PAK-Gehaltes ein Lösungsmittel erforderlich, mit dem sich PAK von der Matrix Kohle/Koks nahezu vollständig desorbieren und lösen lassen. Vor diesem Hintergrund hat sich nach umfangreichen Untersuchungen Toluol als Lösungsmittel für die PAK-Analytik an pyrogenen Kohlenstoffen durchgesetzt.

Für das Forschungsprojekt VergaFlex hat das Analyselabor Eurofins eine eigene Methode zur Bestimmung von PAK entwickelt. Was zeichnet diese Methode aus?

Die Methode deckt einen großen Konzentrationsbereich an möglichen PAK-Gehalten ab, die Vergaserkokse aufweisen können. Der Prozess ist so optimiert, dass die Extraktionszeit so lang wie nötig und so kurz wie möglich gehalten ist. Außerdem wurden die Anzahl der Aufarbeitungsschritte und somit die möglichen Fehlerquellen so weit wie möglich minimiert. Wir erzielen mit diesem Verfahren reproduzierbare, vergleichbare und belastbare Ergebnisse.

Für Betreiber von Biomassevergasungsanlagen sind verschiedene Grenzwerte relevant. Welche Grenzwerte müssen für eine stoffliche Verwertung des Vergaserkokses eingehalten werden?

Die anzuwendenden Grenzwerte sind anwendungsspezifisch, also abhängig von der angestrebten Verwertung/Anwendung. Ein Beispiel hierfür ist die Düngemittelverordnung (DüMV) bei Bodenanwendung; ein anderes die Futtermittelverordnung bei Anwendung als Futtermittelzusatzstoff. Eine weitere denkbare Anwendung von Vergaserkoks ist die Nutzung als Zusatz in der Bauindustrie. Im Einzelnen muss geprüft werden, inwieweit weitere Verordnungen und deren Anforderungen greifen. Zu nennen sind hier z.B. die POP-Verordnung zu persistenten organischen Schadstoffen, die Gefahrstoffverordnung und die Gefahrgutverordnung für den Transport.

Das sind etliche Verordnungen! Wie sollte ein Betreiber in der Praxis vorgehen?

Er sollte zumindest ungefähr wissen, in welchem Feld er seinen Vergaserkoks verwerten möchte. Danach kann er bei einem Labor seiner Wahl die in der jeweiligen Verordnung beschriebenen Werte ermitteln lassen. Auf dieser Basis kann er einschätzen, ob er mit der Verwertung seines Vergaserkokses tatsächlich ein neues Geschäftsfeld erschließen kann.


Herr Ulbricht, vielen Dank für das Gespräch!